Regelsätze sind lebensfern
„Die Ergebnisse sind wenig überraschend, aber dadurch nicht weniger alarmierend: Die Höhe der Grundsicherungsleistungen, dies zeigt diese Umfrage einmal mehr in entblößender Klarheit, hat mit der Lebenswirklichkeit, mit Praxis und Alltagserfahrung der Menschen nichts zu tun. Die Regelsätze sind trickreich kleingerechnet, lebensfern und in keiner Weise bedarfsgerecht“, bilanziert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Spätestens in Krisen-Zeiten wie jetzt während der Corona-Pandemie bedeuten diese beschämenden Armutssätze nicht mehr nur zermürbenden Alltagskampf, sondern bittere, existenzielle Not.“ In Zeiten der Corona-Krise sticht insbesondere ins Auge, dass der durch die Befragten im Durchschnitt für Ernährung veranschlagte Bedarf mit 300 Euro im Monat sogar doppelt so hoch ist wie der Betrag, den die Bundesregierung in ihrem Regelsatz rechnerisch für Ernährung als ausreichend erachtet. Die notwendigen Ausgaben für Körperpflegeprodukte werden von den Befragten gleich fast dreimal so hoch wie von den Statistiker*innen der Bundesregierung veranschlagt.
Gesellschaft droht auseinander zu brechen
Dass die Große Koalition aus SPD und Union trotz der offenkundigen Not der Betroffenen ausgerechnet den Ärmsten während der Corona-Krise finanzielle Hilfe bisher verweigert, sei gerade auch angesichts der aktuellen Debatte über milliardenschwere Konjunkturprogramme ein Skandal, kritisiert der Paritätische. „Es ist nicht hinnehmbar, wenn anlässlich der Coronakrise Prämien für Wohlhabende für den Kauf von Neufahrzeugen oder auch ein einmaliger Kinderbonus aus der Gießkanne – selbst für die Reichsten unter uns – diskutiert werden, aber ausgerechnet die Probleme der Ärmsten unter uns faktisch völlig ausgeblendet werden“, so Schneider. Die Konjunkturprogramme, die jetzt gestrickt werden, müssten „wirkungsvoll, sozial und gerecht“ sein, mahnt der Paritätische und warnt davor, dass anderenfalls diese ohnehin tief gespaltene Gesellschaft an den Folgen der Corona-Krise auseinanderzubrechen drohe.
Sofortige Hilfen gefordert
Der Paritätische fordert sofortige Hilfen für alle Bezieher*innen existenzsichernder Leistungen, konkret die sofortige Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV und Altersgrundsicherung um 100 Euro pro Kopf und Monat bis zur ohnehin gesetzlich geforderten Neufestsetzung der Regelsätze zum 01.01.2021, eine sofortige Einmalzahlung an alle Grundsicherungsbeziehenden von 200 Euro sowie eine sofortige entsprechende Leistungsanpassung beim BAföG und im Asylbewerberleistungsgesetz. Die Forderung nach entsprechenden finanziellen Soforthilfen wird unter dem Motto #100EuroMehrSofort inzwischen durch 30 weitere bundesweite Organisationen unterstützt.
Über die Umfrage
Die repräsentative Umfrage wurde vom 4. bis 9. März 2020 vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbands durchgeführt und damit zu einem Zeitpunkt vor den weitgehenden politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus. Insgesamt wurden 1.000 Personen über 18 Jahre im Rahmen der Mehrthemenumfrage des repräsentativen Online-Befragungspanels forsa.Omninet befragt.
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